…
Bertolt
Brecht
hat
viele
Jahre
den
Typus
des
affirmativen
Intellektuellen,
den
er
in
einer
Silbenumstellung
„Tellekt-Uell-In“,
kurz
Tui
nannte,
studiert
und
in
seinem
überwiegend
Fragment
gebliebenen
Tui-Roman
beschrieben.
„Der
Tui
ist
der
Intellektuelle
dieser
Zeit
der
Märkte
und
Waren.
Der
Vermieter
des
Intellekts.“
Die
Tuis
sind
die
Träger
und
Vermarkter
der
Freiheitsillusion,
sie
sind
die
„Weißwäscher,
Ausredner
und
Kopflanger“
der
Mächtigen
und
„in
großer
Anzahl
über
das
Land
verbreitet
und
zwar
als
Beamte,
Schriftsteller,
Ärzte,
Techniker
und
Gelehrte
vieler
Fächer“.
Die
Tuis
werden
in
Tui-Schulen
gezüchtet.
Ihre
Funktion
ist
es,
die
Wahrnehmung
der
Realität
interessengeleitet
zu
verformen
und
das
öffentliche
Bewusstsein
so
umzuformen,
dass
es
die
Kraftfelder
der Macht nicht stört.
Der
Typ
des
Tui
hat
in
der
Gegenwart
stark
an
Bedeutung
gewonnen.
Da
der
Bevölkerung
die
Diskrepanz
zwischen
Ideologie
und
Realität
immer
offenkundiger
wird,
bedarf
es
immer
größerer
Anstrengungen,
diese
Brüche
zu
verdecken.
Dazu
bieten
sich
-
wie
immer in der Geschichte - Scharen bereitwilliger Intellektueller und Journalisten an - eben Tuis.
Erfreulicherweise
lässt
sich
recht
leicht
ein
Gespür
zur
Identifizierung
von
Tuis
ausbilden.
Denn
Tuis
lassen
sich
oft
bereits
an
der
Wahl
ihrer
Themen,
mit
denen
sie
sich
öffentlich
zu
Wort
melden,
und
besonders
an
ihrer
Sprache
erkennen.
Vorzugsweise
beschäftigen
sie
sich
mit
Themen,
die
geeignet
sind,
herrschende
Ideologien
zu
stabilisieren,
und
verwenden
charakteristische
rhetorische
Argumentationsfiguren
und
ein
geeignetes
Vokabular,
mit
denen
sich
bestehende
Machtstrukturen
rechtfertigen
und
Kritiker der herrschenden Ideologie ausgrenzen und diffamieren lassen.
Zu
den
Wesensmerkmalen
des
Tui
gehört
ein
geradezu
hemmungsloses
Bemühen
um
die
wohlwollende
Aufmerksamkeit
der
Mächtigen
in
Politik
und
Medien.
Dabei
scheinen
sie
bisweilen
geradezu
darum
zu
wetteifern,
durch
großzügige
Verwendung
staatlich
anerkannten
Diffamierungsvokabulars
-
besonders
beliebt
sind
Wörter
wie
„Verschwörungstheoretiker“,
„Querfront“
und,
als
sozusagen
nukleare
Option,
die
Verwendung
des
Ausdrucks
„Antisemit“
als
Diffamierungsattribut
-
den
Mächtigen
zu
demonstrieren,
dass
sie
deren
Erwartungen
zuverlässig
zu
erfüllen
bereit
sind
und
die
herrschende
Ideologie
zutiefst
verinnerlicht
haben.
Dafür
werden
sie
-
besonders
im
journalistischen
und
akademischen
Bereich
mit
entsprechenden
Karrierechancen
belohnt.
Es
gibt
eine
Reihe
anderer
Merkmale,
an
denen
man
Tuis
recht
zuverlässig
erkennen
kann.
Beispielsweise
laufen
sie,
wenn
es
darum
geht,
Ideologiekritik
politisch
unwirksam
zu
machen,
zu
einer
Höchstform
scholastischer
Spitzfindigkeit
auf.
Sie
mahnen
dann
sehr
selektiv
begriffliche
Differenzierungen
an
und
erklären,
eine
solche
Kritik
lasse
„notwendige“
Unterscheidungen
vermissen.
Heinrich
Böll
nannte
sie
daher
einmal
die
„Hyper-diffs“
-sie
mahnen
gegenüber
einer
Systemkritik
so
lange
Differenzierungen
an,
bis
sich
die
gesamte
Diskussion
im
akademischen
Nebel
verflüchtigt
hat
und
die
Systemkritik
in
der
Öffentlichkeit
keine
Wirkung
mehr
entfalten
kann.
Zugleich
können
sie
bei
Bedarf
virtuos
die
erforderlichen
begrifflichen
und
gedanklichen
Unschärfen
erzeugen,
die
zur
Stabilisierung
von
Machtverhältnissen nützlich sind.
…
Auszug
aus:
Prof.
Rainer
Mausfeld,
`Warum
schweigen
die
Lämmer?
Wie
Elitendemokratie
und
Neoliberalismus
unsere
Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören`, WESTEND Verlag
Brecht zu
Intellektualität und Macht
1876
legt
Theodor
Fontane
nach
nur
wenigen
Wochen
mit
einem
Eklat
das
Amt
des
Ersten
Sekretärs
der
Akademie
der
Künste
nieder.
In
diesem
Moment
endet
für
den
inzwischen
56-Jährigen
ein
Lebensabschnitt,
den
er
selbst
ungeachtet
erster
literarischer
Erfolge
als
Befreiung
aus
Abhängigkeit
und
Demütigung
in
seinem
fast
lebenslangen
Ringen
um
Selbstverwirklichung
seiner
persönlichen
Lebensvorstellungen
empfindet.
Er
formuliert
es
in
einer
auch
heute
noch
auf
viele
Facetten
der
aktuellen
Politik
sowie
deren
Sprache
und Ausübung übertragbaren Weise:
…Aber
was
ich
seit
14
Tagen
nun
wieder
erlebt,
zeigt
mir,
wie
richtig
meine
ersten
Eindrücke
waren.
Es
ist
ein
durch
und
durch
verloddertes,
unsagbar
elendes,
von
einem
anständigen
Menschen
gar
nicht
zu
tolerierendes
Institut.
Ich
sehe
ganz
klar,
wie
es
geändert
werden
könnte,
aber
zu
dieser
Änderung
wird
es
auch
nicht
kommen,
weil
das
Ministerium
in
seiner
dummen
Knickerei,
in
seiner
unfreien
Behandlung
aller
dabei
in
Betracht
kommenden
Fragen,
an
dem
Jammerzustand
geradeso
viel
Schuld
trägt
wie
die
Akademie
selbst.
Ich
ersehne
den
Moment,
wo
ich
aus
dieser
wichtigtuerischen
Hohlheit,
aus
diesem
Nichts,
das
mit
Feierlichkeit
bekleidet
wird,
wieder
heraus
sein
werde.
Dinge,
Personen,
Zustände
sind
alle
gleich
unerquicklich.
Ich
passe
in
solch
dummes
Zeug
nicht
hinein
und
will
mich
lieber
weiter
quälen.
Eine
gute
Theaterkritik,
um
das
Kleinste
herauszugreifen,
ist
viel,
viel
besser
als
diese
Reskripte-Fabrikation,
bei
denen
ich
noch
nichts
Erfreuliches
habe
herauskommen
sehn.
Übrigens
spreche
ich
über
diese
Dinge
zu
niemand,
am
wenigsten
in
diesem
Ton.
Die
Welt
verlangt
nun
mal
ihre
Götzen.
Meinetwegen,
wenn
ich
sie
nur
nicht
mitanzubeten
brauche.
Fontane über
Institution & Götzentum
… Denn die meisten denken mit Aristoteles: Was Viele für wahr halten, behaupten wir, ist es.
Ja,
es
gibt
keine
noch
so
absurde
Meinung,
die
die
Menschen
nicht
leicht
zu
der
ihrigen
machten,
sobald
man
es
dahin
gebracht
hat,
sie
zu
überreden,
dass
solche
allgemein
angenommen
sei.
Das
Beispiel
wirkt
auf
ihr
Denken,
wie
auf
ihr
Tun.
Sie
sind
Schafe,
die
dem
Leithammel
nachgehen,
wohin
er
auch
führt:
es
ist
ihnen
leichter
zu
sterben
als
zu
denken.
Es
ist
sehr
seltsam,
dass
die
Allgemeinheit
einer
Meinung
so
viel
Gewicht
bei
ihnen
hat,
da
sie
doch
an
sich
selbst
sehen
können,
wie
ganz
ohne
Urteil
und
bloß
kraft
des
Beispiels
man
Meinungen
annimmt.
Aber
das
sehn
sie
nicht,
weil
alle
Selbstkenntnis
ihnen
abgeht.
-
Nur
die
Auserlesenen
sagen mit Platon: Viele haben viele Meinungen...
Die
Allgemeinheit
einer
Meinung
ist,
im
Ernst
geredet,
kein
Beweis,
ja
nicht
einmal
ein
Wahrscheinlichkeitsgrund
ihrer
Richtigkeit.
Die,
welche
es
behaupten,
müssen
annehmen
1.
dass
die
Entfernung
in
der
Zeit
jener
Allgemeinheit
ihre
Beweiskraft
raubt:
sonst
müssten
sie
alle
alten
Irrtümer
zurückrufen,
die
einmal
allgemein
für
Wahrheiten
galten:
z.
B.
das
Ptolemäische
System,
oder
in
allen
protestantischen
Länder
den
Katholizismus
herstellen;
2.
dass
die
Entfernung
im
Raum
dasselbe
leistet:
sonst
wird
sie
die
Allgemeinheit der Meinung in den Bekennern des Buddhismus, des Christentums, und des Islams in Verlegenheit setzen…
Was
man
so
die
allgemeine
Meinung
nennt,
ist,
beim
Lichte
betrachtet,
die
Meinung
zweier
oder
dreier
Personen;
und
davon
würden
wir
uns
überzeugen,
wenn
wir
der
Entstehungsart
so
einer
allgemeingültigen
Meinung
zusehen
könnten.
Wir
würden
dann
finden,
dass
zwei
oder
drei
Leute
es
sind,
die
solche
zuerst
annahmen
oder
aufstellten
und
behaupteten,
und
denen
man
so
gütig
war
zuzutrauen,
dass
sie
solche
recht
gründlich
geprüft
hätten:
auf
das
Vorurteil
der
hinlänglichen
Fähigkeit
dieser
nahmen
zuerst
einige
andre
die
Meinung
ebenfalls
an;
diesen
wiederum
glaubten
viele
andre,
deren
Trägheit
ihnen
anriet,
lieber
gleich
zu
glauben,
als
erst
mühsam
zu
prüfen.
So
wuchs
von
Tag
zu
Tag
die
Zahl
solcher
trägen
und
leichtgläubigen
Anhänger:
denn
hatte
die
Meinung
erst
eine
gute
Anzahl
Stimmen
für
sich,
so
schrieben
die
Folgenden
dies
dem
zu,
dass
sie
solche
nur
durch
die
Triftigkeit
ihrer
Gründe
hätte
erlangen
können.
Die
noch
Übrigen
waren
jetzt
genötigt
gelten
zu
lassen,
was
allgemein
galt,
um
nicht
für
unruhige
Köpfe
zu
gelten,
die sich gegen allgemeingültige Meinungen auflehnten, und naseweise Burschen, die klüger sein wollten als alle Welt.
Jetzt
wurde
die
Beistimmung
zur
Pflicht.
Nunmehr
müssen
die
Wenigen,
welche
zu
urteilen
fähig
sind,
schweigen:
und
die
da
reden
dürfen,
sind
solche,
welche
völlig
unfähig,
eigne
Meinungen
und
eignes
Urteil
zu
haben,
das
bloße
Echo
fremder
Meinung
sind;
jedoch
sind
sie
desto
eifrigere
und
unduldsamere
Verteidiger
derselben.
Denn
sie
hassen
am
Andersdenkenden
nicht
sowohl
die
andre
Meinung,
zu
der
er
sich
bekennt,
als
die
Vermessenheit,
selbst
urteilen
zu
wollen;
was
sie
ja
doch
selbst
nie
unternehmen
und
im
Stillen
sich
dessen
bewusst
sind.
-
Kurzum,
Denken
können
sehr
wenige,
aber
Meinungen
wollen
alle
haben:
was
bleibt
da
anderes
übrig, als dass sie solche, statt sie sich selber zu machen, ganz fertig von andern aufnehmen?
Da
es
so
zugeht,
was
gilt
noch
die
Stimme
von
hundert
Millionen
Menschen?
-
So
viel
wie
etwa
ein
historisches
Faktum,
das
man
in
hundert
Geschichtsschreibern
findet,
dann
aber
nachweist,
dass
sie
alle
einer
den
andern
ausgeschrieben
haben,
wodurch
zuletzt
alles
auf die Aussage eines einzigen zurückläuft.
Aus: Schopenhauer, Die Kunst Recht zu behalten
Schopenhauer über
Meinung und Wahrheit
Narr der Verzweiflung
Ach! Was schrieb ich auf Tisch und Wand
mit Narrenherz und Narrenhand,
das sollte Tisch und Wand mir zieren?…
Doch ihr sagt: „Narrenhände schmieren, -
und Tisch und Wand soll man purgieren,
bis auch die letzte Spur verschwand!“
Erlaubt! Ich lege Hand mit an -,
ich lernte Schwamm und Besen führen
als Kritiker, als Wassermann.
Doch, wenn die Arbeit abgetan,
säh` gern ich euch, ihr Überweisen,
mit Weisheit Tisch und Wand besch…
.
Der Einsame
Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein - das Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken:
und nur wer Schrecken macht, kann andre führen!
Verhasst ist mir`s schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
in holder Irrnis grüblerisch zu hocken,
von Ferne her mich endlos heimzulocken,
mich selber zu mir selber - zu verführen.
.
Vorsicht
In jener Gegend reist man jetzt nicht gut;
und hast du Geist, sei doppelt auf der Hut!
Man lockt und liebt dich, bis man dich zerreißt;
Schwarmgeister sind`s -; da fehlt es stets an Geist.
.
Das Wort
Lebend'gem Worte bin ich gut:
das springt heran so wohlgemut,
das grüßt mit artigem Genick,
ist lieblich selbst im Ungeschick,
hat Blut in sich, kann herzhaft schnauben,
kriecht dann zum Ohre selbst dem Tauben,
und ringelt sich und flattert jetzt,
und was es tut - das Wort ergetzt.
Doch bleibt das Wort ein zartes Wesen,
bald krank und aber bald genesen.
Willst ihm sein kleines Leben lassen,
mußt du es leicht und zierlich fassen,
nicht plump betasten und bedrücken,
es stirbt oft schon an bösen Blicken und
liegt dann da, so ungestalt,
so seelenlos, so arm und kalt,
sein kleiner Leichnam arg verwandelt,
von Tod und Sterben mißgehandelt.
Ein totes Wort- ein häßlich Ding,
ein klapperdürres Kling-Kling-Kling.
Pfui allen häßlichen Gewerben,
an denen Wort und Wörtchen sterben!
alles aus: Friedrich Nietzsche, Hundert Gedichte, Aufbau-Verlag 2006
„Die
vier
Unzeitgemäßen
sind
durchaus
kriegerisch.
Sie
beweisen,
dass
ich
kein
„Hans
der
Träumer“
war,
dass
es
mir
Vergnügen
macht,
den
Degen
zu
ziehn
-
vielleicht
auch,
dass
ich
das
Handgelenk
gefährlich
frei
habe.
Der
erste
Angriff
(1873)
galt
der
deutschen
Bildung,
auf
die
ich
damals
schon
mit
schonungsloser
Verachtung
hinabblickte.
Ohne
Sinn,
ohne
Substanz,
ohne
Ziel:
eine
bloße
„öffentliche
Meinung“.
Kein
bösartigeres
Missverständnis
als
zu
glauben,
der
große
Waffen-Erfolg
der
Deutschen
beweise
irgendetwas
zugunsten
dieser
Bildung
-
oder
gar
ihren
Sieg
über
Frankreich.
Die
zweite
Unzeitgemäße
(1874)
bringt
das
Gefährliche,
das
Leben-Annagende
und
-Vergiftende
in
unsrer
Art
des
Wissenschafts-Betriebs
ans
Licht
-:
das
Leben
krank
an
diesem
entmenschten
Räderwerk
und
Mechanismus,
an
der
„Unpersönlichkeit“
des
Arbeiters,
an
der
falschen
Ökonomie
der
„Teilung
der
Arbeit“. Der
Zweck
geht verloren, die Kultur - das Mittel, der moderne Wissenschafts-Betrieb,
barbarisiert
…
In
dieser
Abhandlung
wurde
der
„historische
Sinn“,
auf
den
dies
Jahrhundert
stolz
ist,
zum
ersten
Mal
als
Krankheit
erkannt,
als
typisches
Zeichen
des
Verfalls…
Und
wie
ich
mir
meinen
Gegner
gewählt
hatte!
den
ersten
deutschen
Freigeist!…
In
der
Tat,
meine
ganz
neue
Art
Freigeisterei
kam
damit
zum
ersten
Ausdruck:
bis
heute
ist
mir
nichts
fremder
und
unverwandter
als
die
ganze
europäische
und
amerikanische
Spezies
von
„libres
penseurs“.
Mit
ihnen
als
mit
unverbesserlichen
Flachköpfen
und
Hanswürsten
der
„modernen
Ideen“
befinde
ich
mich
sogar
in
einem
tieferen
Zwiespalt
als
mit
irgendwem
von
ihren
Gegnern.
Sie
wollen
auch,
auf
ihre
Art,
die
Menschheit
„verbessern“,
nach
ihrem
Bilde,
sie
würden
gegen
das,
was
ich
bin,
was
ich
will,
einen
unversöhnlichen
Krieg machen, gesetzt dass sie es verstünden - sie glauben allesamt noch ans „Ideal“…“
aus: Friedrich Nietzsche, Ecce homo, Wie man wird, was man ist, Anacona Verlag 2007
Nietzsche
Gedichte
Deutsche Bildung und Wissenschaft
mit aktuellem Bezug